“Ok, you’re from France, but where do you live now?”

Sowohl in Kanada als auch im Staat Oregon ist mir immer wieder aufgefallen, wie uns Leute im Supermarkt (wir sind seit dem Umstieg in den Camper öfter dort, weil man in der Supermarktkette Walmart WiFi hat) beobachten und merken, dass wir zum Teil mit der Grösse der Läden etwas überfordert sind. Diese Leute bieten spontan ihre Hilfe an und erzählen uns ihre Geschichte der Immigration inkl. ihrer Herkunft. Da die Sommerferien mittlerweile vorüber sind und wir ja bekanntlich mit unseren Kindern reisen, kommt regelmässig die Frage: «Ok, ihr seid aus Frankreich, aber wo in Kanada/Oregon wohnt ihr jetzt und seit wann?» Dann folgen ein paar erklärende Sätze unsererseits und meistens wollen die Leute wissen, wie das mit der Schule klappt und sind erstaunt, dass die Erlaubnis zum Heimunterricht so unkompliziert geklappt hat. Es ist hingegen nicht immer einfach, die Motivation aufzubringen mit den Kindern zu arbeiten und vor allem Arthur hat einen enormen Bewegungsdrang, wenn er mal still sitzen sollte, um in seinem Schulheft zu arbeiten. Wenn immer möglich übernehme ich den Biologie-, Zoologie- und Geologie Unterricht während unserer zahlreichen Wanderungen und kann so den Kindern ohne den formellen Rahmen Wissen vermitteln, was mir besondersviel Spass macht.

 

Wein Einkaufen im Walmart als Ü40-iger: Nur gegen ID!

Mit meinem angegrauten Bart nehmen mir die meisten meine über 40 Lenze ab. Als wir im Supermarkt zwei Flaschen Wein einkaufen wollten, musste ich trotzdem meine Identitätskarte vorzeigen und der Kassiererin so beweisen, dass ich mindestens 21 Jahre alt bin und es rechtens ist, dass ich Alkohol erwerbe. Wann ging nochmal die Prohibition zu Ende? Das Verhältnis der Amerikaner zum Tabakrauch ist auch schwierig, denn der Mindestabstand, den Raucher zu Türen und Fenstern einhalten müssen variiert je nach Staat und Ort von 7 zu 30 Fuss, so dass man als im metrischen System heimischer Nikotinsüchtiger lieber gleich sein Laster aufgibt, wenn man nicht in die Illegalität verfallen will.

 

Unterwegs: Unterhaltsarbeiten an Hervé

Nach einer Woche leben im Camper haben wir Frühlingsputz gemacht und Hervé innen gründlich gereinigt und ein paar Dinge besser verstaut, so dass wir leichteren Zugriff darauf haben. Wir hielten dafür an einer sogenannten «Safety Rest Area», also einem Rastplatz, den die Autobahnpolizei regelmässig kontrolliert. Die Camper können den Trinkwassertank auffüllen und den Abwassertrank entleeren, was sehr praktisch und erst noch kostenlos ist. Unter der warmen kalifornischen Sonne haben wir Sport getrieben und die Kinder unterrichtet, während LKW Fahrer ihre Ruhepausen machten und uns zuschauten. Irgendwie gehören wir auch ein wenig zu den Kraftfahrern, da unser Gefährt aufgrund dessen Ausmassen nur auf LKW Parkplätze passt. Ich wollte in jungen Jahren mal Trucker werden und dieser Jugendtraum geht nun in Erfüllung.

 

Woodland: Zu Besuch bei meinem Schulfreund Timothy

In Woodland, wo mein Schulfreund Tim, der in der 5. Primarstufe zu mir in die Klasse kam, weil dessen Vater für Sandoz in Basel arbeitete und mit der ganzen Familie für 2 Jahre nach Binningen zog, sind wir ein paar Tage zu Gast und übernachten vor seiner Haustür. Wir haben Strom und WiFi, was will man mehr? Spass beiseite, es war ein sehr emotionaler Moment für mich, meinen Freund aus der Jugendzeit zum ersten Mal seit 1990 wiederzusehen. Er kocht uns ein wunderbares Schulterstück vom Rind in seinem Smoker, dazu leckere Süsskartoffeln…mjam! Als 15 jähriger durfte ich Tim ein Jahr nach seiner Rückkehr nach Cupertino, Kalifornien besuchen. Es war mein erster Transatlantik Flug und erst noch allein. Ich kann meinen Eltern gar nicht genug danken für diese geniale Reise, die mir 4 unvergessliche Wochen bescherte, während der ich mit Tim und seiner Mutter ganz Kalifornien und Oregon bereiste und oft zeltete. Wow, was für eine enorme Zeitspanne und umso erleichterter war ich zu sehen, es ihm gut geht und dass seine Kinder Miriam (9) und Jakob (6) ebenso wie seine Frau Alexis sehr herzlich sind. Wir haben erfahren, dass Anne-Sophie, Célines Schwester, heute einen Timothée geboren hat. Lustiger Zufall.

 

Woodland: Reparaturarbeiten an Hervé

Tim ist als gelernter Automechaniker gut mit Werkzeug ausgerüstet und gemeinsam machen wir uns daran, die defekte Aufnahme des Gasdämpfers an der Seitentür zu reparieren. Es macht mir richtig Spass, gemeinsam mit ihm, der mir voller Stolz sein Werkzeug präsentiert, diese Reparatur durchzuführen. Nun ist die Befestigung statt mit 3 billigen Blechschrauben mit 4 Stahlnieten verankert und hält besser als Original. Auch Auffahrrampen aus Holz fertigen wir an, damit die Neigung von Abstellplätzen im Gebirge ausgeglichen werden kann. Erstaunlich, dass so etwas Grundlegendes nicht vom Vermieter beigestellt wird. Nur für den Fall gibt mir Tim noch einen Hammer und ein paar Nägel mit und will mir auch noch Kabelbinder schenken, aber davon habe ich bereits welche gekauft. Auch den richtigen Spray, um die quietschenden Scharniere zu beseitigen, leiht mir Tim. Danke Dir, Bruder, auch für das Kontrollieren der Radschrauben mit dem riesigen Drehmomentschlüssel.

 

Sakramento: Besichtigung der Altstadt mit Tim

Wir lassen Hervé vor Tims Haustür stehen und er fährt uns mit seinem Kia in die Innenstadt von Sakramento. Er weiss allerhand zu erzählen über die Landwirtschaft und deren Bedeutung für Kalifornien. Sakramento erkunden wir zu Fuss und die Stadt gefällt uns ausserordentlich gut, denn sie strotzt von historischen Gebäuden und gut erhaltenen historischen Dampfloks und Bahnanlagen. Ein Tag mit viel Gelegenheit zum Shopping für Céline und die Kinder und ich schaffe es, mir beim Barbier den Bart stutzen zu lassen.

 

Woodland: Zu Besuch in der Schule an einem Freitag

Heute heisst es für uns alle früh aufstehen, da wir Miriam in die Schule begleiten dürfen. Tim nimmt uns mit und wir stellen uns ihrer Lehrerin, Frau Ziegler, vor. Die Klasse schreibt einen Test (Quiz), doch danach müssen alle aufstehen und den Fahneneid schwören. Bei uns wäre so etwas undenkbar, aber im patriotischen USA ist das ganz normal. Danach dürfen wir vor die Klasse stehen und ich erkläre, wer wir sind, warum unser Haus Räder hat und anhand von Zeichnungen mit typischen Situationen aus dem Elsass erläutere ich die Besonderheiten unserer Heimat. Danach stellen die Schüler viele Fragen betreffend Traditionen und Klima im Elsass. Die Zeichnungen, die von Arthurs Klassenkamerden angefertigt wurden, übergeben wir Frau Ziegler, die uns für den Besuch dankt.

Am Nachmittag statten wir dem Kürbisfeld (bald ist Halloween) und der Klasse von Jakob einen Besuch ab, wo man Tiere streicheln, in Maiskörnern baden und natürlich auch den passenden Kürbis erwerben kann.

 

San Francisco: Zu Besuch in der Regenbogenstadt

Dank Tims geliehenem Auto, können wir die 100 km bis in die Vorstadt von San Francisco problemlos zurücklegen und nehmen von dort den Regionalzug, der uns bis ins Zentrum dieser wunderbaren Stadt bringt. Von meinem Besuch 1990 kann ich mich nur noch an dichten Nebel erinnern, so dass man von den grossen Stützpfeilern der Golden Gate Brücke nur einen Drittel sehen konnte. Heute ist von Nebel keine Spur zu sehen, doch sobald man die Strassenbahn verlässt, schlägt einem ein süsslicher Duft entgegen, so dass man sich zu Hippie Zeiten wähnt. Eine Fahrt im Cable Car, der bekannten Strassenbahn mit Drahtseilantrieb lässt mich schwelgen und es macht Spass, meinen Kindern diese rustikale Technik näher zu bringen. Da der Andrang am Cable Car an diesem sonnigen Samstag besonders gross ist, hat man genügend Zeit den Strassenkünstlern zuzusehen oder sich von einem selbsternannten Prediger die Leviten lesen zu lassen. In dieser Stadt hat es Platz für alle und es ist diese Toleranz, die mir an ihr so gefällt. Wir besuchen die Lombard Street (bekannt aus dem Film Bullitt und der besten Autoverfolgungsjagd aller Zeiten) und bewundern die Autofahrer, die sich die extrem steile und enge Strasse hinuntertasten. Die Strassen sind zum Teil so steil, dass wir mit dem Camper aufgrund des langen Radstandes stecken geblieben wären. Als krönender Höhepunkt wird in der Bucht eine extravagante Flugshow gezeigt, die wir uns nicht entgehen lassen. Die Seelöwen an Pier 39 stürzen sich bei jedem ohrenbetäubenden Tiefflug der F/A-18 Jets der Fliegerasse in die Fluten, was dem Spektakel noch zusätzliche Action verleiht. Trotzdem tun mir die armen Tiere Leid.

 

Woodland: Wiedersehen mit Russell, Tims Bruder

Am Sonntag hat Tim seinen Bruder Russell und seine Frau Naomi mit ihren zwei Kindern zum Brunch eingeladen. Dies gibt uns die Gelegenheit, Alexis Schwester kennenzulernen und ich kann mit Russell ein paar Worte wechseln. Die Kinder spielen sehr selbständig und es macht mich immer wieder stolz zu sehen, wie gut die Integration klappt, auch ohne dass unsere Kinder die Sprache verstehen. Am Nachmittag gehen wir mit dem jungen Hund der betagten Nachbarin spazieren und ich renne ein paar Runden mit dem Jungspund. Die Kinder dürfen auf dem Spielplatz ihre Energie loswerden. Am Abend gehen wir gemeinsam mit Tims Familie beim Mexikaner essen. Schon am nächsten Morgen heisst es wieder Abschied nehmen und wir witzeln, dass wir beim nächsten Treffen wahrscheinlich beide pensioniert sein werden…